Gesichter und Geschichten: 1 Wüste


Flucht oder Tod?

So bin ich auf den Flüchtlingsweg gegangen. Ich ging allein.

 

Abidjan – Niamey 1800 Km

Niamey – Agadez 1000 Km

Agadez – Tripolis 2200 Km

Die erste Strecke bin ich mit dem Bus gereist.

Auf der zweiten Strecke hört die Straße auf. Aber es fahren allerhand Lastwagen und Pickups, die gegen Fahrgeld Menschen mitnehmen.

Auf der dritten Strecke gibt es nur noch die Trafikanten und die Flüchtlinge. Die Trafikanten nehmen all dein Geld. Sie versprechen eine schnelle Reise. Sie lügen.

 

Hier beginnt die große Wüste. Die Entfernungen sind riesig. Sie haben Waffen, und du musst tun, was sie sagen. Du bist nicht mehr der Reisende, sondern die Ware für ihr Geschäft.


Ich war mit vielen anderen Flüchtlingen auf einem Lastwagen. Die Rebellen hielten ihn an.

Wir wurden in ein Gefängnis gebracht. Das Gefängnis hatte zwei Abteilungen, eine für die Flüchtlinge aus Nordafrika,

da gab es Matratzen, eine für Schwarzafrikaner, da gab es nicht genug Platz auf dem Boden, um sich hinzulegen.

 

Einen Monat habe ich im Sitzen geschlafen.

Morgens zum Wecken haben sie uns geschlagen. Manchmal haben sie Einen geschlagen und ihm ein Telefon ans Ohr gehalten. Er sollte seine Familie um Lösegeld anflehen.

Es gab kein Wasser zum Waschen und zu wenig Toiletten.

 

Das Schlimmste war der Hunger. Ich erhielt einmal am Tag einen kleinen Becher Kaffee und ein fingergroßes Stückchen Brot. Das war Alles. Ich wurde sehr schwach.

 

Freunde? Nein, dort dachte jeder nur an sich.

Einen gab es, mit ihm habe ich viel geredet.

 

Er hieß Ibrahim. Er zeigte mir einen Wächter, der besser war, als die Anderen. Er schoss nicht auf Gefangene, die flüchteten.

Einmal kam ein Moment, da konnte ich weglaufen.

 

Ich bin durch menschenleere Straßen gelaufen.

 

Alle Fenster und Türen waren verschlossen. Dann tauchte ein Militärfahrzeug der Regierung auf. Ich blieb stehen. Sie ließen mich einsteigen. Ibrahim konnte nicht mit fliehen. Bis heute gibt es keine Nachricht von ihm.


Sie brachten mich in ein Gefängnis der Regierung.

In diesem staatlichen Flüchtlings-Gefängnis war fast alles gleich wie bei den Rebellen:

die Enge, der Mangel an Sanitär-Einrichtungen, das Zweiklassen-System. In meiner Klasse wurde man zum Wecken mit Wasser überschüttet und auch geschlagen.

Es gab mehr zu essen, einmal am Tag ein kleines Stück Brot, und einmal eine kleine Portion Reis.

Für die Kranken gab es einen Nebenraum.

Aber es gab Araber, die kamen ins Gefängnis und suchten sich ein paar Arbeiter aus.

Ich wurde ausgesucht und ich habe mit fünfzehn Anderen auf dem Feld gearbeitet. Wir haben drei Wochen lang von morgens bis abends ohne Pause gearbeitet.

Geld? Nein, das ist an das Gefängnis gegangen.

 

So läuft das Geschäft und ich bin die Ware.