Südfrankreich, die dritte Woche

So. 21.5. Villes-sur-Auzon

Heute morgen war ich an der Quelle der Sorgue. Sie entspringt einer Höhle unter einer gewaltigen Feldwand. Sie kommt als starker Fluss heraus, verschwindet gleich wieder und strömt weiter unten als wundetschöner Fluss richtung Rhone.

Später habe ich im internet Bahnverbindungen nach Genf recherchiert. Da wurde mir klar, dass ich nun nicht weiter trödeln kann, sondern in die Pedale treten muss, wenn ich meinen Zug in Genf erreichen will. Also los, - geht doch!


Dann habe ich die Zugverbindung von Gap nach Genf recherchiert, siehe da: sie geht nur bis Grenoble. Das heißt, jetzt muss ich richtig in die Pedale treten, wenn ich meinen Zug in Genf nächsten Mo. kriegen will.

Mo. 22.5. Montbrun-les-Bains

Das Schild sagt wohl genug über heute!

Glücklich angekommen.

Di. 23.5. Gap - Tallard

Auch heute genügt ein Bild

Dann ging es ca 15 km bergab, zum Schluss durch dor Schlucht der Meouge
Dann ging es ca 15 km bergab, zum Schluss durch dor Schlucht der Meouge
Eine wilde Landschaftl
Eine wilde Landschaftl

Mi. 24.5. Terrasse

Diese Regel möchte ich jedem Radfahrer ans Herz legen: wage Dich NIE auf eine Route Nationale! Selbst wenn sie einen Fahrradstreifen hat! Dieser hört nämlich an kritischen Stellen einfach auf, und dann strampelt man im tosenden Schnellverkehr den Berg hoch. Als ich nach 12 km RN in Gap ankam, brauchte ich erst mal einen Kaffee.

Dann habe ich den Regionalzug nach Grenoble genommen, der auch Räder transportiert. Es ging hoch ins Gebirge, und damit wieder in den Frühling. Während im Tal schon die Rosen blühen, sind oben die Walnussbäume noch kahl.

Hier ein paar Bilder aus dem Zug:

In Grenoble gibt es auf dem Bahnhof ein öffentliches Klavier!
In Grenoble gibt es auf dem Bahnhof ein öffentliches Klavier!

Leider habe ich dann wieder eine Hauptstraße genommen und bin fix und fertig in Terrasse auf dem Camping angekommen.

Do. 25. 5. Albertville

Über die Dörfer und über die Hügel .

Die Berge hier sehen seltsam grotesk aus; gleichen sie nicht gigantischen Pasteten oder Blätterteig-Torten?

Radfahrers Lieblings-Bilder: die Radstreifen:

Fr. 26.5. Annecy

Hier zunächst einige Belege für die Torten- und Pastetentheorie:

Zwischen Albertville und Annecy gibt es einen Bahntrassen-Radweg. Er war so belebt, daß ich an chinesische Verhältnisse der Mao-Zeit dachte.

Sa. 27.5. Vers

Vers ist ein Städtchen auf dem "Balkon über dem Genfer See".  Dort anzukommen, war eine schwere Tagestour mit unerwarteten Hindernissen. Von Annecy nach Norden gibt es ein schmales Tal, eine kleine Lücke zwischen steilen felsigen Hügel. Alle Ausfallstraßen Richtung Genf führen entweder nach links auf die Route National, die ausdrücklich für Fahrrad verboten ist, oder nach rechts auf die A41, den kleinen Fuß- und Radweg zu finden, hat mich fast eine Stunde gekostet. Die kleinen Straßen über die Dörfer führten steil bergab-bergauf, bis sie plötzlich auf einem Feld endeten, wo geschätzt 1000 Autos in der heißen Sonne parkten. Ab hier war ein ganzes Tal in ein "Mittelalter-Spektakel"-Gelände verwandelt, alle Besucher waren als Ritter und Edelfräulein verkleidet, von fern war Turnierlärm und Fanfarensignale zu hören, - und leider waren alle Wege und Straßen gesperrt.

Nach langem Hin- und Herfahren fand ich endlich ein altes Ehepaar auf ihrer Terrasse. Sie gaben mir kühles Wasser und schrieben mir die Namen der Dörfer auf, über die ich fahren konnte. Ja, ich mußte ganz wieder nach unten, dann einen weiten Bogen, und dann ganz wieder hinauf. 

Auf dem "Balkon": Ein frischer Windhauch und eine Fernsicht, - ist es der Montblanc?
Auf dem "Balkon": Ein frischer Windhauch und eine Fernsicht, - ist es der Montblanc?

Hier, wo ich dieses Foto gemacht habe, war ich eigentlich fix und fertig. Gerade da erblickte ich einen Garten und in der Tür des alten Hauses ein freundliches Gesicht. Da habe ich gefragt, ob ich eine Nacht im Garten zelten darf. 

Kurz darauf tranken wir im Schatten eines Baumes Tee und erzählten uns unser Leben.

Wie leicht wir miteinander reden konnten! Als ob ich sie gesucht, und sie auf mich gewartet hätte. Wie ich schätzt sie die orientalische Kultur, ist mit einem Algerier verheiratet, nicht ganz ohne Probleme... Wie ich liebt sie das Land und hat sich mit (zu) wenig Geld ihren Traum vom Haus und Garten verwirklicht. Ein schönes Stück Land mit einer eigenen Quelle und ein großes Haus, und in beides muss sie ganz viel Arbeit stecken. Wenn sie barfuß auf ihrer Erde steht und ihr Beet hackt, gefällt sie mir sehr.

Ein Abendessen aus unseren zusammengeworfenen Vorräten: Salat und Kräuter aus ihrem Garten, Rosmarinkartoffeln und Reblochon-Käse, Rotwein, wir ließen es uns gut gehen.

Vielen Dank, Du Liebe, ich hoffe, Deine Pläne gehen gut voran und wir sehen uns noch einmal wieder.

So. 28.5. Tannay (bei Genf)

Was empfehlen Sie zum Essen und Übernachten in Genf? Wenn Ihr auch nicht reich seid, rate ich zu einem Picknick im botanischen Garten, neben den Vereinten Nationen, am Ufer des Sees, sehr hübsch. 

10 Km nördlich vom Stadtzentrum, in Tannay gibt es einen schönen kleinen Camping Municipal, direkt am Seeufer, und für Genfer Verhältnisse mit 15 € auch günstig.

Auf dem Camping Municipal in Tannay
Auf dem Camping Municipal in Tannay

Hier habe ich einen langen heißen Sonntag- Nachmittag verbracht. Das Strandcafe war voll, aber ich hatte keine Schweizer Franken. Wifi gab es nicht. So habe ich auf das Wasser und auf die Berge geschaut und mich an alle die Menschen erinnert, die ich unterwegs getroffen habe. Im Minutenabstand kamen Flugzeuge im Sinkflug über den See. Dreimal kam im eleganten Segelflug ein schwarzer Milan und lies sich dicht über den Platz treiben. Morgen früh würde ich zum Bahnhof radeln und mit dem Zug nach Hause fahren.

Nachtrag

"Hast Du nicht manchmal Angst, wenn Du so allein unterwegs bist?" werde ich oft gefragt.

Als ich nachts in Verden ankam, musste ich feststellen, dass das Fahrradlicht beim Bahntransport kaputtgegangen war, vorn und hinten. Ich versuchte, es zu reparieren, während ständig lange Güterzüge vorbeidonnerten und dauernd Gruppen junger Männer über den ansonsten menschenleeren Bahnhof streiften.Dann habe ich die Taschenlampe am Lenker mit Klebeband befestigt und bin so nach Hause gefahren. Nachts ist die Straßenbeleuchtung in Verden und natürlich auch in den kleineren Orten ausgeschaltet. Es war völlig dunkel, im Schein der Taschenlampe konnte ich gerade so den Weg erkennen. Unablässig zuckten stumm Blitze über den Himmel. Ich kam durchgeschwitzt vor Angst heim und ging schlafen. Plötzlich erwachte ich davon, dass das Bett sich bewegte. Zwei Blitze schlugen ganz nah ein, der gleichzeitige Donnerschlag ließ das Haus erzittern. Das war eine unheimliche Nacht!