Südfrankreich Mai 2017

So. 7.5. Chevrier

Sonntag der Präsidenten-Wahl in ganz Frankreich. Jean und Odile, bei denen ich hier zu Gast bin, haben Freunde eingeladen, um gemeinsam die Ergebnisse zu sehen. Jean strahlt Ruhe un Weisheit aus, Odile ist lebhaft und quecksilbrig. Jean erzählt von seinem Vater: er war Kriegsgefangener in Papenburg und ist 1944 geflohen. Als er wieder zuhause war, hat er geheiratet und ist Bürgermeister geworden. Dann haben die Deutschen Soldaten auf dem Rückzug fast alle Häuser des Ortes niedergebrannt.

Die Bewohner sind für kurze Zeit in die nahe Schweiz geflohen. Gleich im Frühling '45 haben sie unter Leitung des jungen Bürgermeisters Chevrier wieder aufgebaut. Jean und Odile waren Landwirte, zuerst haben Sie Milch und Käse produziert, dann haben sie Obstbäume gepflanzt mit Schwerpunkt auf alte Apfelsorten. Drei Töchter hanen sie großgezogen. Seit der Rente kümmert sich Jean um die Bewohner eines Wohnheims für Gestrauchelte, und Odile nimmt sich der Flüchtlinge an.


Mo.8.5. Yenne

Dieser Tag ist in Frankreich frei: Tag der Befreiung. Am Waldrand sah ich einen jungen Mann, der immer auf den Boden blickte und sich manchmal bückte. Ich fragte ihn, was er sucht. "Frühlingsmorcheln", sagte er, und ließ mich einen Blick in seine Tüte werfen. Gelbweiße gekräuselte Pilze waren darin. "Sind die nicht giftig?" - "Doch, aber ich weiß, wie man sie behandeln muss, entweder koche ich sie zusammen mit Rindfleisch mehrere Stunden, oder ich trockne sie auf einer Leine, weiche sie dann ein und spühle sie mehrmals. Mir schmecken sie so besser als Fleisch". Er ging weiter am Waldrand entlang und hörte dabei über seine Ohrstecker Hip-Hop.

Landschaft an der oberen Rhone
Landschaft an der oberen Rhone

Di. 9.5. Voreppe

Meine Gastgeber, Alain und seine Frau, leben am Eingang des großen Tales, das nach Grenoble führt. Ich war von den Eindrücken ganz überwältigt: vor den Fenster, über die Terrasse das gewaltige

Panorama der Gipfel des Vercors-Massivs und drinnen Alain, schnell sprechend, schnell radfahrend, voll großartiger Projekte und Ideen. Früher war er in verantwortlicher Position im Straßenbau tätig, dann für den Bau der Radtrassen. Radreisen sind jetzt seine Leidenschaft, die Räder stehen in der Garage, das Auto muß draussenbleiben.

Auf der letzten Tour durch Tunesien hat er eine ganze Gruppe Tunesier, bei denen er zu Besuch war, nach Frankreich geladen, auch eine Tour mit Rad, Warmshowers und Jugendherberge zu machen. Tatsächlich haben sie es geschafft, trotz Visum-Schwierigkeiten und alten Rädern, und waren am Schluss der Tour bei ihm zu Besuch.

Radtouren zur Völkerverständigung. Wenn Ihr noch mehr wissen wollt, hier seine webseite: www.uneplumedesjambes.sitew.fr

Wir hatten noch eine lange Unterhaltung über Europa: die Angst ,(besonders Deutschlands) die Anderen wollten ihnen etwas wegnehmen, sollte aufhören, über Flüchtlinge: viel Sympatie für die Deutschen ...

Seine Frau kam etwas später, sie sprach wenig und schien erschöpft. Dann erfuhr ich, sie war gerade bei einer jungen Frau gewesen, die ihre Chemotherapie hinter sich hatte. Beim Abschied, als ich ihr alles Gute wünschte, auch für die Kranke, brach diese durchtrainierte, starke Frau in Tränen aus. Ach, Glück und Glas, wie leicht bricht das!

Gipfel des Vercors-Gebirgsstock
Gipfel des Vercors-Gebirgsstock

Mi.10.5. Le Grande Serre

Sonnenaufgang auf der Terrasse
Sonnenaufgang auf der Terrasse

Ein schöner langer einsamer Weg, am Ende ein kleines Paradies:

Do. 11.5.Romans-sur-Isere

In der kleinen Stadt Hautrives steht das Ideal-Palais des Postboten Ferdinant Cheval (1836 - 1924)

Ferdinat Cheval stammte aus einer armen Bauernfamilie.

Er brachte von seinen 40 km weiten Fußmärschen als Postbote täglich seltsamgeformte Steine mit nach Hause. 33 Jahre lang baute er allein aus seinen Fundstücken das Bauwerk seiner Träume. Ein zweistöckiger "Tempel"  verziert mit exotischen Pflanzen und Tieren aus Steinen und Zement. Auch Menschen, Hunde, Hirsche, Vögel entdeckt man. Dazwischen eine Burg, ein Hindutempel und eine Moschee. Überall sind besonders merkwürdige Steine eingemauert.

Menschen aus dem bäuerlichen Stand sind in der Regel bodenständig. Wenn sie Träume haben, behalten sie diese für sich. Ich kenne keinen anderen Fall, wo ein Bauer seine Inspiration als Kunstwerk verwirklicht hat.

"Der Wind meiner Träume bringt mir den Geist des Orients"
"Der Wind meiner Träume bringt mir den Geist des Orients"

Fr. 12.5. Saillans

Zwei Gewitter, zwei Nothelfer:

Bei Gewitter soll man ja nicht radfahren, darum war ich auf der Suche nach nach einem Unterstand, als vor mir ein Auto stoppte. Der Fahrer fragte, ob er mich sammt Fahrrad nach Crest mitnehmen soll. 10 km gespart und das 1. Gewitter sammt Sturzregen im Auto durchfahren.

Merci, Stefan!

Vor dem zweiten Gewitter bin ich in eine offene Kirche eingetreten. Eine Frau mit Hündchen kam dazu. Ich meinte, ich könnte das Unwetter auch bei einem Kaffee unter der Markise des nahen Restaurants abwarten, und lud sie dazu ein. Da sagte sie:"Ich wohne hier um die Ecke, wollen Sie nicht auf einen Kaffee zu mir kommen?" Bald kam die Rede aufs Reisen, sie ist mit ihrem Pferd gereist.

Sie hatte in den Pyrenäen ein mißhandeltes, wildes Pferd gekauft. Weil es nicht auf den Hänger ging, machten die beiden die Heimreise zu Fuß. Sie hat dann noch viele lange Reisen mit ihrer Stute gemacht, immer unterwegs auf den Dörfern einen Bauern gefunden, bei dem sie das Pferd einstellen und selbst übernachten konnte. Das Pferd ist 39 Jahre alt geworden.

Die Drome, mit Aussicht auf das nächste Gewitter
Die Drome, mit Aussicht auf das nächste Gewitter

Sa.13.5. Saillans

In Saillans erwarteten mich Gastgeber und brachten mich zu ihrer Cabane am Hang über der Stadt. Ich war sofort begeistert von dieser einfachen, romantischen Hütte, die mich an Thoreaux' s Walden erinnert.

In der Cabane gibt es einen Tisch und Stuhl, Kerzenleuchter, ein Schlafsofa, mehrere Regale mit Büchern und einen Ofen. Wasser zum Waschen kommt von der Quelle. Der Bach rauscht, die Vögel singen. Hier könnte man ein Buch schreiben, mit der Hand.

Saillans, der Name kommt von lat. salire und aqua, "springendes Wasser" (dh. Quelle) Die Stadt hat mehrere Brunnen, die ganze Umgebung ist grün. Aber in wenigen Wochen werden alle Blumen und Kräuter verdorrt sein, dann ist Wasser kostbar. Auf einer Schautafel habe ich Bilder von Mitte des 19. Jahrhunderts gesehen. Damals waren die Berge und Hügel bis ins Tal kahl. Sturzregen lösten Erdrutsche aus. Die Quellen versiegten. Dann fingen die Menschen im Drome-Tal an, Bäume zu pflanzen, Schwarzkiefern. Zwischen 1860 und 1930 wurden Millionen Bäume gesäht und gepflanzt. Heute macht die Stadt einen fröhlichen leichtlebigen Eindruck. Während des 2. Weltkriegs war sie ein Stützpunkt der Resistance. Auch jetzt hat die Stadt zu 30% links gewählt.

So grün ist das Tal der Drome bei Saillans heute
So grün ist das Tal der Drome bei Saillans heute

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